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Im Laufe der Jahre wuchs die Yogagemeinschaft in Döbling immer stärker. Bald waren es mehr als hundert Schüler. Es wurde nötig die Ausbildung zu staffeln. Die älteren und erfahrenen Yogis, führten ihrerseits kleine Kreise bis zu acht Schülern. Gleichzeitig trafen sie sich täglich mit den Gurus in ihrem eigenen Kreis. Die Yogastunden verliefen völlig anders als in der Renngasse. Es wurde viel meditiert, speziell bei Guru Ananda. Meine Stunden waren mehr wissensorientiert. Im Kreis der Fortgeschrittenen befassten sich die Schwerpunktthemen mit Astralreisen und Kundalinierfahrungen. Fast alle in diesem Kreis hatten Kundalinierfahrungen oder astrale Einblicke. Es gab Erfahrungsaustausch. Auch wurden verschiedenste Experimente durchgeführt und besprochen. Unser Interesse weitete sich bis zu experimentellen Grenzgebieten aus, von Reichenbach bis zu Reich oder Calligaris. Es wurden Skripten angelegt, in denen Details beschrieben und statistisches Grundlagenmaterial ausgearbeitet wurde. Wir betrieben unsere eigene Forschung auf diesen Gebieten. In vielem waren wir damals der Zeit an Wissen voraus. Viele Geschehnisse von außerkörperlichen Erfahrungen bis zu Kundaliniphänomenen sind bis heute kaum verstanden, auch wenn manche Autoren so tun, als wäre alles klar und die Wissenslücken unter Schlagworten von göttlichen Wirkkräften verstecken.

Hier einige Abbildungen von Beobachtungen an Chakras aus einem Skriptum. In den Originalskripten ist jedes einzelne Bild farbig im Großformat, mit dazugehöriger, genau beschriebener Beobachtung.

Die Beobachtungen entsprachen ganz und gar nicht dem, was in den Büchern steht. So, wie wir es wahr nahmen, waren Chakras wirbelige Strömungsmechanismen an der Oberfläche des Körpers, mit ihrem Ursprung in der Wirbelsäule. In ihnen strömten Energien ein und aus. Die Energien sind dichterer Natur und entsprechen in etwa dem, was unter verschiedenen Bezeichnungen läuft, wie etwa Chi, Ki, Fluidal, Prana etc.. Interessanterweise verhält sich diese Energie in vielem wie eine Flüssigkeit, weshalb sie in der Literatur in Europa früher „fluidale Energien“ bzw. „Fluidal“ genannt wurde. Eine höhere Schwingungsform dieser Energie läuft unter der Bezeichnung „Amrita“. Symbolisch wird im Osten Amrita durch einen Krug dargestellt, der mit Amrita gefüllt gedacht wird. Die chinesische Göttin Kuan Yin wird fast immer mit einem solchen Krug dargestellt.

Tunnelwahrnehmungen haben eine große Bedeutung beim Astralreisen. In schamanischen Techniken des Reisens wird immer von Tunnels ausgegangen. Hierbei begeben sich die Schamanen in der Imagination an einen heiligen Ort und betreten von dort aus einen Tunnel, der sie in die Unterwelt (hat nichts mit Hades oder Hölle zu tun) oder in die Oberwelt führt. Nach unseren Beobachtungen entstehen solche Tunnel aus sich ausdehnenden Chakras.

Folgend noch zwei Bilder über die Wahrnehmung von Kugeln, die ebenfalls in Zusammenhang mit Chakras stehen und gelegentlich als eigenständige Erscheinungen im Raum wahrgenommen werden. Ihre Interpretation in der Literatur ist vielfältig und verwirrend. Von einem Erklärungsversuch möchte ich absehen.

Kugeln sind nebelige bis leuchtende Energieemanationen. Sie können von jeglicher aurischer Farbe sein.

In der Hochblüte der Yogagemeinschaft gab es zirka 30 Yogis als Ashramiten. Es herrschte hier emsiges Leben. Allmählich wurde unsere Wohnung von den Yogis mehr oder weniger geprägt. Sie zimmerten Regale, färbten Parkettfußböden zum Schrecken Anandas von schönem Honiggelb zu Dunkelbraun, malten die Räume aus, brachten Teppiche. Überall sah man ihre Spuren.

Eine meiner lustigsten Erinnerungen ist die an einen Epiphytenbaum. Es war immer schon mein unerfüllter Wunsch einen solchen zu haben. Für diejenigen, die es nicht wissen: Ein Epiphytenbaum ist ein nach Möglichkeit reich verzweigter Baumstamm auf den Orchideen, Bromelien und andere baumbewohnende Pflanzen hinauf gebunden werden, so dass der ehemals tote Baumstamm in reichlichem Grün mit vielen Blüten erstrahlt. Nun, einen solchen Baum zu haben war einer meiner Träume. Ich sprach darüber und schon meinte ein Yogi in seinem Garten, unweit unserer Wohnung einen abgestorbenen Obstbaum zu haben, der geeignet wäre. Ich war begeistert. Kurz darauf stand der Baum in unserer Veranda. Er wurde nach allen Regeln der Kunst mit allerlei Pflanzen bestückt und ich ließ entzückt täglich meine bewundernden Blicke über ihn gleiten.
Allerdings wuchsen die Pflanzen auf ihm nicht üppig. Selbst die künstliche Beleuchtung konnte nichts ausrichten. Die Pflanzen wurden aus Lichtmangel immer schwächer und schwächer. Vor dem Fenster unserer ebenerdigen Wohnung standen nämlich große Kastanien- und Ahornbäume. Wie ich zu meinem Bedauern feststellte, büßte der Epiphytenbaum mehr und mehr an Leben ein. Zumindest glaubte ich das, was ein großer Irrtum war. Nach außen nicht sichtbar war der Baum voll des Lebens. Als die Pflanzen so kümmerten, dass ich ihre traurige Erscheinung nicht mehr ansehen konnte, entfernten wir den Baum. Das ursprünglich ihm innewohnende Leben aber entfaltete sich in unserer Wohnung weiter. Überall hörte man seltsame Geräusche, in jedem Zimmer. Es gab kein Holz, in dem es nicht bohrend knisterte. Eines Tages dann gab es eine Invasion schwarz brauner Käfer. Es waren Holzwurm-Käfer. Wir gerieten fast in Panik, denn diese Tierchen waren unter den Türschwellen, im Fußboden und in den Schränken, sofern sie aus Holz und nicht aus Pressspanplatten waren. Das waren alles schwer erreichbare Stellen. Sollten wir unsere Wohnung ausgasen lassen? Davon nahmen wir Abstand, nicht nur deshalb, weil man in der Veranda zwischen den Fußbodenbrettern ins Freie schauen konnte. Als Ausweg imprägnierten wir alles wo immer es nur möglich war. Die Aktion war erfolgreich. Es hat so gestunken, dass die Käfer es vorzogen ihren Wohnsitz in andere Umgebung zu verlegen. Sie wanderten einfach aus, wir aber konnten das nicht. Zum Glück haben wir die Aktion überlebt, dank unserer yogischen Asketenhärte.

Jeden Freitag wurde aufgeräumt. Das war keine solide Hausfrauenarbeit, denn es waren meistens Jungschüler, die halfen und noch nie in ihrem Leben etwa der Mutter bei der Hausarbeit zugeschaut hatten; es bedurfte somit einiger Zeit der Einschulung, während der von Helfen nicht die Rede war. Man konnte gar nicht überall schnell vor Ort sein, um Katastrophen zu vermeiden. Damals wurden die Parkettböden nicht versiegelt wie heutzutage sondern gewachst. Man beschmierte die Böden mit dem fettigen Zeug und rieb dieses anschließend ein. Wir waren modern und hatten eine Bodenbürste. Ein schweres Gerät, denn schließlich sollte das Wachs durch das Gewicht der Bürste tiefer eingerieben werden. Diese Bürste hatte auf Anfänger beim Helfen eine magische Anziehungskraft, waren wir doch in einem Zeitalter, in welchem Handarbeit möglichst durch Maschinen ersetzt werden sollte. Man konnte nicht schnell genug schauen, um einen solchen Schüler davon abzuhalten, sich der Bürste zu bemächtigten und mit den fettverschmierten Borsten über die Teppiche herzufallen.
An solchen Tagen wimmelte es von Helfern im Ashram und es herrschte das reinste Chaos. Zumindest war dies meist mein Eindruck. Im Prinzip wurde alles von eingesessenen Yogis organisiert, während ich in einer stillen Ecke saß und mit einem Yogi die kommenden Stunden besprach.

Die regen Aktivitäten im Ashram bewirkten, dass sich viel tat, innerlich und äußerlich. Es hatte wohl seine heiteren Seiten, aber wie es nun mal im Leben ist, gab es neben den erfreulichen und wertvollen Aspekten auch Probleme und Schattenseiten. Ich glaube viele haben dennoch bleibende Impulse für ihr ganzes Leben bekommen.