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Marienverehrung

Ananda verehrte die schwarze Madonna von Czestochowa (Tschenstochau). Gelegentlich fuhren wir auf den Kahlenberg vor Wien, um dort in der St. Josefskirche vor einer Kopie der schwarzen Madonna zu beten. Ansonsten jedoch betete Ananda in erster Linie zu Jesus.
Was mich anbelangt, so wurde ich, bald nachdem ich im Yoga war, zu einem Marienverehrer. Ich pilgerte zur „Lourdesgrotte“, einer Waldquelle mit einer Marienstatue und vielen Kerzen davor, deren Flammenlichter in dieser damals einsamen und stillen Waldlichtung in der Nacht unglaublich stark beeindruckend waren. Die Stille und Heiligkeit dieses Ortes erfüllte mich bis in die kleinste Fiber meines Seins. Es war ein schöner, heiliger Ort. Mittlerweile hat ein rühriger Priester einen von Gebäuden umgebenen Betonhof daraus gemacht und den Andachtsort in seinem kirchlichen Status gehoben (Status einer Kirche durch die Genehmigung und Weihe eines Steinaltars). Ich gehe nicht mehr hin, weil es mir weh tut.

Schon bald im Yoga begegnete mir Maria in Astralreisen. Sie erschien mir darin spontan, und ohne dass ich damit gerechnet hätte. Hierbei war sie für mich immer die Himmelsgöttin, die Allmutter und niemals die Fürsprecherin, als welche sie im Christentum zumeist betrachtet wird. Ihre Liebe zu mir war wie ein warmer Strom, der meine Seele durchflutete. In ihrer Güte und Liebe akzeptierte sie selbst meine Schwächen mit nachsichtigem Verständnis. Kein Wunder, dass ich ihr mein Herz zu Füßen legte. Es entstand ein vertrautes Verhältnis und aus diesem festigte sich ein mystisches Liebesband, das mit zunehmenden Jahren an Stärke gewann.

Als wir in Döbling in unsere neue Wohnung einzogen, teilten Ananda und ich uns die Gestaltung der Räume auf. Ananda nahm sich der Wohnräume an. Dort hatte sie auch ihren eigenen Altar mit Christus als Mittelpunkt. Ich gestaltete den Yogaraum, der auch zu meinem Schlafraum wurde. Besondere Aufmerksamkeit widmete ich dem Altar, er war mir das Wichtigste. Was mir in der Gestaltung sehr entgegen kam, war eine große Mauernische, die sich ab Brusthöhe tief in die Kaminmauer versenkte. Hier baute ich ein Podest mit einer Marienstatue darauf. Dahinter war ein großes Bild der Marienerscheinung von La Salette, Frankreich.

Mittlerweile sind viele Jahre vergangen, ich lebe auf dem Land, habe etliche Male meine Altäre umgestaltet, aber immer blieb Maria als Allmutter im Zentrum, wenngleich sie ihr Aussehen geändert hat. Meine Hinwendung zu ihr war in früheren Zeiten sehr christlich geprägt und ebenso war in innerer Resonanz ihre Erscheinung. Jetzt ist sie für mich zu einer lieblichen, bisweilen humorvollen Gefährtin des Herzens geworden, mir immer nahe, egal, ob ich sie wahrnehme oder nicht. Sie hat mich erkennen lassen, dass sie mich immer begleitet und ich nie allein wäre. Wenn ich mich allein fühle, so liegt es immer an mir, an einer Art innerer Verhärtung, die meine Wahrnehmung abblockt. Ich bevorzuge jetzt indische oder tibetische Statuen von Tara, weil es für mich die anmutigsten Ikonendarstellungen der göttlichen Allmutter sind. Ihre Liebe ist so groß, dass sie mir eines Tages sagte, als ich sie wegen einer fehlerhaften Eigenschaft befragte, dass sie mich liebe und auch diese Fehler akzeptiere, weil sie Teil meiner Persönlichkeit und meines gegenwärtigen Entwicklungsstandes sind. Ich kann mir keinen größeren Liebesbeweis vorstellen.

Vielleicht sind hier einige Worte angebracht, die den Schwenk meiner Hingabe von der christlichen Maria zu heidnischen Gottheiten erklären. Ich war nie ein Christ und Maria war für mich einfach eine mir von der Jugend an vertraute Art der Begegnung mit Gott. Was ideologische Erklärungen anbelangt, so machte ich mir anfangs kaum Gedanken darüber. Die Begegnung selbst war für mich das Wesentliche. Mein Wissen im Yoga war so gering, das keinerlei Erklärungsbedarf gegeben war. Dies änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Auch hatte ich später Schüler, die von Kindheit an im Hinduismus, Buddhismus oder gar im Voodoo aufgewachsen waren. Ihnen allen musste ich ihre unterschiedlichen Gottesbegegnungen erklären können.

Zunächst eine Grundsatzerklärung zum Gottesverständnis im Yoga:

Um die Vielfalt der mystischen Gottesbegegnungen in den verschiedensten Religionen zu erklären, bevorzugte ich zumeist Gleichnisse als Erklärungsmodelle. Hier einige dieser Gleichnisse:

Oder:

Zurück in jene vergangene Zeiten des Ashrams. Durch mein erwachtes Interesse an Maria begann ich die verschiedenen Erscheinungen zu studieren. Ich verglich die Aussagen Marias und stellte fest, dass diese je nach Seherin oder Zeit oder Land variierten. Die Aussagen widersprachen einander nicht unbedingt, hatten aber andere Schwerpunkte. Dadurch kam ich zu der Ansicht, dass die Wahrnehmung einer Erscheinung mit dem Sehen durch eine Sonnenbrille vergleichbar ist. Menschen mit unterschiedlicher Sonnenbrille mögen allesamt dasselbe sehen, aber sie sehen es unterschiedlich gefärbt.

Ich brachte in den Yogastunden Marienlegenden und Erzählungen. Viele der Yogis fanden dadurch ebenfalls eine tiefe Zuneigung zu Maria. Auch auf ihren Altären fanden sich Marienstatuen.

Ein Yogi hatte auf einen Monat eine Wanderstatue der Marienerscheinung aus Montichiari, die an ihren drei Rosen zu erkennen ist. Eine weiße, rote und eine goldene Rose.

Ich glaube es war gegen Ende 1981, als ich von einer Marienerscheinung in Medjugorje hörte. Da im Ashram einige Yogis mit Slowenisch als Muttersprache waren, bat ich diese, sich vor Ort näher zu erkundigen. Zwei von ihnen und einige deutschsprachige Yogis reisten daraufhin nach Medjugorje. Sie wurden im Umfeld der Seherinnen gastfreundlich aufgenommen und konnten sich mit den Seherinnen unterhalten. Ab da wurde Medjugorje zu einer Pilgerstätte vieler Yogis aus unserem Ashram und ist bis heute für viele von ihnen ein spirituelles Zuhause geblieben. Zwei der Yogis wurden Priester und andere engagierten sich intensivst im Dienste der Marienverehrung von Medjugorje, brachten Zeitschriften heraus oder verbreiteten per Telefonservice wöchentlich die neuesten Botschaften der Erscheinung.

Gaya

Die erhebenden Begegnungen beim Astralreisen waren mir für meine inneren Bedürfnisse zu selten. Ich war und bin zwar dankbar hierfür, aber oft waren sehr große Pausen dazwischen und meine unerfüllte Sehnsucht verursachte ein Gefühl der Verlassenheit.. Deshalb vertiefte ich mich in Yogatechniken, die mir dazu verhelfen sollten, Maria oder ihre All-Liebe besser zu erfühlen.

Was ich mir wählte, war eine Kombination aus Lichtempfinden und warmer hingebender Liebe. Das erwies sich als am erfolgreichsten. Natürlich hat sich dies, wie alle Übungen, im Laufe der Jahre weiter entwickelt.

Vor Beginn der Übungen zündete ich Kerzen und Räucherstäbchen an. Die Aufhellung des Raumes und der angenehme Duft förderten die Stimmung und die Ausrichtung auf ein goldenes Licht. Weißes Licht mied ich nach Möglichkeit.

Ganz am Anfang hielt ich eine Kerze in meinen zur Schale geformten Händen, schloss die Augen und stellte mir vor, dass mein Brustraum sich in goldenem Licht erhellen würde.
Kuan Yin, die chinesische Version von Tara, wird sehr oft in ähnlicher Haltung dargestellt, wenngleich sie statt einer Kerze eine Vase mit Amrita in den Händen hält.

Sehr ansprechend in Bezug auf die Übung fand ich die Herz-Jesu Darstellungen. Jesus zeigt uns sozusagen vor wie es sein sollte. In Indien wird Hanuman mit geöffnetem Liebesherz dargestellt.

In einer meiner damals bevorzugten Übungen versuchte ich mit jedem Atemzug meinen Brustraum mit Wärme und goldenem Licht zu füllen.

Eine mehr abstrakte Übung, die von Guru Ananda gelehrt wurde: Wir „atmen“ über die Poren der gesamten Körperoberfläche Licht ein. Hierbei stellen wir uns den Körper hohl vor, wie ein Gefäß, und füllen ihn allmählich mit Licht. Ausatmend strahlen wir segnend Licht und Liebe in den Raum, werden eins in Liebe mit der Welt um uns.

Die Durchführung obiger Übung wurde mir durch die Erinnerung an einen Samadhi erleichtert, den ich in den ersten Jahren meines Yoga hatte. Ich war im Labor tätig und beobachtete beim Titrieren aufmerksam die einzelnen, wasserklaren Tropfen am Herabfallen. Auf einmal hatte ich eine kosmische Schau, vielleicht nur zwei Sekunden lang, aber sehr einprägsam:

Ananda verstand unter Gott eine alles beseelende Allkraft. In ihrem Bedürfnis nach Kommunikation wandte sie sich Christus zu, der für sie der größte Yogi aller Zeiten war. Gott in menschlicher Gestalt war für Ananda durch ihre jüdische Kindheitsprägung undenkbar. Ich entwickelte durch meine Begegnungen mit Maria eine andere Auffassung. Ich vertrat und vertrete die Ansicht, dass Gott aus Liebe zum Menschen Gestalt annehmen kann. Erstmals begegnete ich dieser Sichtweise in der Biographie von Ramakrishna (von Romain Roland). Hierin sagte Ramakrishna: Gott ist gestaltet und ungestaltet. Beides ist nicht in Widerspruch, sondern es ist wie die zwei Seiten einer Münze, unterschiedlich in der Betrachtung und dennoch ein und dasselbe im Wesen.

Im Maha Yoga, den ich später lehrte, vertrat ich die Ansicht, dass Gott nicht bloß in einer kollektive anerkannten Erscheinung den Gläubigen zu begegnen vermag, sondern dass er in gleicher Weise für jeden einzelnen Menschen eine individuelle Gestalt anzunehmen vermag, wenngleich ein religiös gefestigtes Erscheinungsbild zumeist von den Menschen bevorzugt wird. Die üblichen religiös geprägten Erscheinungen haben ihre Ursache in der Prägung und der Erwartungshaltung der Menschen.

Es gibt eine Erinnerung, sei sie im höheren Selbst des Menschen verankert oder in der Allkraft, die bewirkt, dass die einmal eingegangene Liebesbeziehung zu einer Erscheinungsform Gottes (Gottheit) durch viele Leben bestehen bleibt. Jedenfalls scheinen die Gottesbegegnungen der Yogis und Yoginis eine solche Erklärung nahe zu legen.

In früheren Jahren versuchte ich eine innere Begegnung mit dem göttlichen Allbewusstsein durch Meditation herbeizuführen. Ich war überzeugt durch konsequentes Üben mich dem nähern zu können, so wie es alle Yogaschriften Indiens und Tibets versprechen.
Im Laufe der Jahre wichen jedoch meine Yogaübungen und Meditationen, die nach System durchgeführt wurden, einem unmittelbaren Erleben. Die früher teils komplizierten Übungen lösten sich auf in einer einfachen Innenwendung. Meine Begegnungen mit dem Göttlichen sind jetzt sanft, weniger tief als etwa tranceartige Samadhis, jedoch begleiten sie mich mehr oder weniger ständig im Alltag.

Was früher Meditationen mit aktivem Wollen und Bemühen waren, wurde jetzt zu einem Lauschen. Es ist nichts anderes mehr als ein Hineinhorchen in meine Mitte und das Erfühlen der Nähe Gottes in einer seiner von mir bevorzugten Erscheinungsformen oder einem bloßen Empfinden der Nähe und der Liebe.

Eine gegenwärtige Meditation, die ich gelegentlich anwende, ist eine abgewandelte Methode, welche unter der Bezeichnung "Verlebendigung des Yidam" im Osten bekannt ist. Darunter versteht man die lebendige Begegnung mit dem Allbewusstsein in einer subjektiven, vertrauten Gestalt (Yidam, Schutzgottheit), mit der man kommunizieren kann.

Die Kommunikation ist wortlos und besteht aus einem Austausch tiefer Gefühle. Ich will versuchen es zu beschreiben: