"Der Tod der Taube"

Traum, Herbst 1976:

Ich befinde mich in einer Halle, die wie eine Wartehalle aussieht. Sie ist sehr kahl und es ist ein bisschen fröstelnd. Es gefällt mir gar nicht.

Da kommt schon wieder der gute Lehrer herein. Als ich ihn sehe, nicke ich mit dem Kopf und er deutet mir, dass ich mich hinsetzen soll. Ich setze mich und er setzt sich neben mich und zieht eine Haube an. Die Haube ist aus Samt und mit Goldplättchen bestickt. Sie ist sehr hübsch und ich denke, ich bekomme auch so eine Haube. Aber er gibt mir eine andere Haube, auf der viele Zeichen der Yogagemeinschaft sind. Als nächstes holt er eine Schnur hervor. Sie scheint sehr lang zu sein, und er befestigt sie oben bei sich und an der Haube von mir. Dann gibt er mir wieder ein Täfelchen. Diesmal ist es weiß und die Schrift ist hellrosa. Der Lehrer deutet mir wieder, ich soll schweigen und wir gehen ein Stückchen durch die Halle. Wir kommen wieder zu einem Lift und steigen ein. Die Fahrt ist nicht fühlbar; es hat eine ziemliche Weile gedauert.

Wir kommen an und steigen aus. Was ich sehe ist geradezu großartig: ein Festsaal, sagen wir einige male so groß, wie der Festsaal vom Rathaus in Wien; wunderbar! An den Wänden sind Tankas (tibetische Ikonenbilder auf Stoff). Ich schau mir alles genau an. Es ist eine wunderbare Luft und es sind hier sehr viele Leute. Es sind Schüler oder Yogis, Lehrer und Helfer so wie meiner. Alle sind sehr geschäftig. Auf einer Seite sieht die Halle aus wie ein Postamt. Dort haben sie Zettel und Täfelchen, die sie weitergegeben. Der Lehrer deutet mir jedoch, ich soll nicht so viel herumschauen und wir gehen.

Nun, wir gehen und gehen, und da kommen wir zu einem Altar, zumindest sieht es so aus. Dort sitzt auf einem samtüberzogenen Stuhl, ein alter Mann in einer grünen, samtenen Soutane. Der sieht sehr gütig und wie Lahiri Mahasaya aus. Der Boden ist wie aus Kristall, fast scheint es als könne man durchsehen. Mein Lehrer verbeugt sich. Ich denke, es ist gut, wenn ich dem gleichtue und verbeuge mich auch. Dann bückt sich mein Begleiter nieder und küsst die Soutane. Ich getraue mich das nicht und bleibe stehen.

Der alte Mann schreibt auf ein Täfelchen und gibt das meinem Begleiter: "Also, du bist der Neuling, den der große Yogi hier, in die verschiedenen Sphären einzuführen hat."

Ich schreibe zurück: "Danke, ich habe nicht gewusst, dass mein Lehrer-Führer ein großer Yogi ist. Ich wusste das nicht und weiß auch nicht wie ich ihn ansprechen soll."

Er schreibt als Antwort darauf: "Überhaupt nicht!"

Jetzt schreibt mein Lehrer wieder etwas und gibt es dem alten Mann. Der liest das, fängt an zu lächeln und zeigt es mir. Auf dem Täfelchen steht: "Dieser Schüler ist sehr kindlichen Gemütes und talentiert für die Transzendenz, aber äußerst ängstlich."

Ich denke mir: na, der hat ein feines Urteil hier abgegeben, worauf der alte Mann wieder aufschreibt: "das stimmt doch?!''

Dann kommt ein Yogalehrer mit zwei Schülern und bringt etwas, das sieht aus wie ein Fingerhut, so klein ist es. Er übergibt dies dem alten Mann, verbeugt sich und küsst die Soutane. Der alte Mann schaut mich an, taucht den Finger in den Fingerhut und tupft mir etwas auf die Stirn. Es riecht wunderbar und ich denke mir: „der Fingerhut gefällt mir, den möchte ich haben“.

Da schreibt er auf: "Wirklich wahr, du bist doch ein kindliches Wesen, du kannst doch von hier nichts mitnehmen!"

Dann schreibt mein geistiger Lehrer, lässt es zuerst ihm und dann mich lesen: "Heute besuchen wir Tiere."

Damit sind wir scheinbar entlassen, mein Lehrer küsst ihm die Soutane, ich verbeuge mich tief vor ihm und wir gehen.

Ich schreibe auf das Täfelchen, ob ich mich hier nicht ein bisschen umsehen könnte, vor allem die Tankas gefallen mir so gut.

Er schreibt: "Es ist nicht viel Zeit, aber sieh dich um!"

Dann kommen wir zu einem großen Tisch, ein sehr großer Tisch. Dort stehen viele Yogis. Jeder von ihnen hat einige Täfelchen, beschreibt sie, gibt sie weiter und nimmt andere entgegen. Eine unglaubliche Geschäftigkeit!

Ich schreibe: "Was ist denn das?"

Er schreibt mir auf: "Siehst du, das sind Helfer und Arbeitsyogis und die betreuen die verschiedensten Menschen und bekommen hier ihre Aufträge."

Wir können uns aber nicht mehr aufhalten und er schreibt: „Jetzt müssen wir aber gehen, es ist nicht mehr so viel Zeit, du hast nicht soviel Kraft das durchzuhalten."

Wir gehen also wieder zum Lift und fahren. Da kommen wir zu einem Saal, der ist rund. Dort ist ein runder Tisch, der mit weißem Samt bedeckt ist. Auch die Sessel sind alle aus weißem Samt. Er deutet mir, ich soll mich niedersetzen. Ich setze mich nieder. Er gibt mir ein weißes, rundes Glas, das ist im Durchmesser wie mein kleiner Finger und deutet mir, ich soll durch schauen.

Ich schaue durch und schreibe auf: „Ich sehe gar nichts!" Jetzt gibt er mir ein grünes Glas. Ich schaue wieder und schreibe: "Ich sehe überhaupt nichts!"

Er ist schon etwas verzweifelt! Dann nimmt er beide Gläser weg, und gibt mir eine Kugel. Die Kugel ist zirka 5 cm groß. Ich nehme die Kugel und schaue hinein und denke aha, da ist eine Taube, die ist jetzt umgefallen. Und ich schreibe: "Was ist mit der Taube?"

Doch er schreibt: "Sei ganz still, sonst siehst du überhaupt nichts.“

Ich schaue wieder in die Kugel hinein und sehe zwei wunderbare Gestalten, so wie die Elfen, die ich bei der Baumseele gesehen habe. Sie haben ein Tuch, das ist fast durchsichtig und streichen damit über die Taube. Irgendetwas haben sie abgehoben, für mich unsichtbar. Sie machen das Tuch wieder zu und sind weg. Ich weiß überhaupt nicht was das bedeutet; es ist ganz still.

Nun nimmt mir mein Lehrer die Kugel weg und gibt mir eine große Kugel in die Hand. Diese ist nicht so schön schillernd. Er schreibt mir auf: "Jetzt wirst du sehen was mit einem verstorbenen Tier geschieht. Gib sehr Acht, du musst dich nicht fürchten!"

Ich habe also diese Kugel in der Hand, so handtellergroß. Sie ist ziemlich schwer und milchig. Ich schaue in diese Kugel hinein. Ich sehe aber überhaupt nichts. Er dreht die Kugel um und streicht über sie und gibt sie mir wieder. Ich sehe aber nur einen verschwommenen Schein. Er streicht also wieder darüber, gibt sie mir und ich schreibe auf: "Ja, jetzt sehe ich etwas."

Und er schreibt: "Was siehst du?"

„Ich sehe wie diese zwei Wesen irgendwo ankommen, wo, das ist mir vollkommen unbekannt. Dort sind viele Tiere! So liebe Tiere, das Lamm ist auch dort, der Widder und auch das Schaf, das ich gesehen habe, und Katzen sind dort. Also ich bin ganz weg, ich liebe doch so Tiere! Ich bin so froh und halte jetzt die Kugel in beiden Händen und schaue und schaue. Jetzt kommen diese zwei Gestalten an. Es kommt noch jemand dazu und die beiden schütten das Unsichtbare aus. Auf einmal wird daraus eine wunderschöne Taube, viel schöner als sie unten gewesen ist. Ich bin ganz sprachlos und schreibe auf: "was ist das eigentlich, bitte erkläre mir das ganz genau. Ich kann mir das wohl zusammenreimen, aber ich möchte wissen, wie das wirklich ist!"

Er schreibt als Antwort: "Jedes Tier, das stirbt, gehört einer Gattung an und entwickelt sich weiter. Diese Ebenen und Weiten sind unendlich; es gibt auch Tierebenen. Ich habe dir jetzt an dieser Taube gezeigt, wie sie verstorben ist und den Körper auf der Erde gelassen hat. Das hast du durch das erste Glas gesehen. Dann ist ihr Seelenkern hinaufgeschwebt und sie ist in einem neuen Geistkörper neu entstanden, nur viel schöner und kräftiger. Sie wird einmal wieder herunterkommen, wenn sie sich vollkommen erholt hat."

Ich bin ganz sprachlos und schreibe auf: "Das kann ich mir nicht genau merken wie du das gesagt hast.“

„Du musst es dir merken und wirst es dir auch merken!'' Er nimmt mir die Kugel weg.

Ich schreibe auf mein Täfelchen: "Bitte, ich möchte noch diese Kugel haben, ich möchte das Lamm sehen und den Widder und die hübschen Pferde, kann ich mir das nicht ein bisschen anschauen?"

Und er schreibt: "Schau es dir halt an!" und gibt mir wieder die Kugel.

Und ich sehe mir die vielen Tiere an, so viele Tiere sind da! Ein Reh habe ich gesehen, ein Zebra, wunderschön. Die sind alle dort herumgesprungen und herumgehopst und dazwischen sind die wunderbaren Gestalten gegangen.

Dann schreibe ich auf: "Bitte, ist das weit, könnte ich nicht einmal dorthin gehen und die Tiere streicheln?"

Und zum ersten Mal hat er, wohl nicht gelacht, aber doch gelächelt: "Du kannst es nur durch ein Glas sehen. Es ist unmöglich, du bist dazu da, es zu lernen und es den anderen zu sagen. Aber es wird jetzt gleich aus sein, schaue noch eine Weile durch das Glas, hast heute schon genug gesehen!"

Ich halte also das Glas krampfhaft mit beiden Händen und sehe jetzt eine weite Steppe. Ich sehe einen Löwen, dann sehe ich einen Elefanten. Ich sehe weit in die Steppe hinaus. Ich will das Glas gar nicht mehr hergeben.

Nach einer Weile schreibt er auf: "Jetzt ist aber genug, das Glas musst du zurückgeben. Du weißt, das ist ein heiliger Gehorsam sonst kann ich nicht mehr kommen, wenn du widerspenstig bist."

Ich schreibe: "Ich bin gar nicht widerspenstig, ich habe nur Tiere so gern, ich möchte sie mir noch ein bisschen anschauen."

Er schreibt:" Das geht nicht, jetzt gib mir das Glas zurück".

Ich habe gedacht, ich könnte ihn überreden, aber er war nicht zu überreden, sondern wurde nur sehr ernst und nimmt mir einfach das Glas aus der Hand.

Wir gehen fort. Bevor wir wieder zum Lift gehen schreibe ich auf:

„Wozu hast du mich, lieber geistiger Lehrer, mich mit dieser Schnur verbunden?'' Er schreibt:

"Das war notwendig!"

Ich gebe mich damit zufrieden, dass er es nicht beantworten will. Dann schreibe ich auf: "Ich habe so eine schöne Haube mit den Zeichen, ich möchte zu den Menschen gehen, die dasselbe tragen und mir zugehörig sind!"

Er aber schreibt auf: "Das wird einmal sein, frag nicht so viel, du hast viel zu viel gefragt".

Ich schreibe auf: "Bitte entschuldige, aber ich muss doch lernen, danke schön für alles!"

Da war der Traum zu Ende.